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Neue Technologien bei Magnetfestplatten

Inhaltsverzeichnis: Neue Technologien
Füllung mit Helium
Scheiben aus Glas und Keramik
Shingled Magnetic Recording
Dynamic Hybrid SMR
Superparamagnetismus
Heat Assistant Magnetic Recording
Microwave Assisted Magnetic Recording
Multi-Stage Micro Actuator
Two Dimensional Magnetic Recording
Multiple Sensor Magnetic Recording
Bit-Patterned Media
Vakuum
Möglichkeiten ohne Ende …

Füllung mit Helium

In Festplatten mit mehreren Scheiben ist wenig Platz für die Köpfe, und die Reibung mit der Luft bremst die Kopfbewegungen. Die Luft herauspumpen geht nicht − ohne Auftrieb würden die Köpfe auf die Platte abstürzen. Hersteller kamen auf die Idee, Festplatten mit Helium zu füllen. Helium hat eine siebenmal geringere Dichte als Luft. Deshalb haben die Köpfe bei der Positionierung einen geringeren Widerstand zu überwinden und die Positionierung erfolgt etwas schneller. Außerdem wird die Drehung der Scheiben weniger gebremst. Die Stromeinsparung ist beträchtlich. Dazu kommt, dass die Wärmeleitfähigkeit von Helium sechsmal größer ist als die von Luft. Die Wärme wird also besser abgeleitet. Dadurch passen statt der üblichen sechs Scheiben sieben bis neun Scheiben in ein Gehäuse, eine Kapazitätssteigerung bis 50 %!

Doch die Helium-Idee erwies sich als schwieriger als anfangs erwartet. Luftgefüllte Festplatten haben ein winziges Loch, um bei Erwärmung den steigenden Druck ausgleichen zu können, doch bei einer Heliumfüllung muss das Gehäuse hermetisch dicht sein und dennoch die Ausdehnung des Gases bei Erwärmung verkraften. Die leichten Heliumatome sind derart diffusionsfreudig, dass sie allmählich Dichtungen und sogar Metallwände durchdringen.

Heliumgefüllte Festplatten sind seit 2014 im Angebot. Toshiba, Seagate und Western Digital realisieren große Kapazitäten von 8 bis 16 TB und geben fünf Jahre Garantie.

Scheiben aus Glas und Keramik

Die japanische Firma Hoya Corp. ersetzt die Aluminiumlegierungen in den Magnetscheiben durch Glas. Glas ist thermisch formstabil, magnetisch neutral, nichtleitend und hat eine glattere Oberfläche als Aluminium. Glas dehnt sich bei Erwärmung weniger aus als Aluminium. In Metall entstehen Wirbelströme, im Glas nicht. Das Glas ist steifer, wodurch die Scheiben dünner werden können. Hoya fertigt Glasscheiben mit 0,38 mm Dicke, übliche Aluminiumscheiben sind 1 mm dick. In ein Standardgehäuse würden 12 Glasscheiben statt 8 Alu-Scheiben hineinpassen. Die Serienfertigung ist für das Jahr 2020 geplant.
Seagate verwendet Keramikscheiben für die neuen HAMR-Festplatten.

Shingled Magnetic Recording

Die Erhöhung der Aufzeichnungsdichte erfolgte in der Vergangenheit hauptsächlich durch schmalere Spuren. 2010 waren 75 nm Spurabstand und 1 nm Bitabstand in der Spur erreicht, etwa 100 Gbit/cm2. Mehr schien unmöglich. Doch seit 2014 testet Seagate eine neue „Shingled Magnetic Recording“ Technologie. Weil die Leseköpfe schmaler gebaut werden können als Schreibköpfe, ist die Spurbreite gleich der Lesekopfbreite. Da der Schreibkopf breiter als die Lesespur ist, werden beim Schreiben einer Spur eine oder beide Nachbarspuren beschädigt, sie müssen nach jedem Schreibvorgang repariert werden. Daher sind SMR-Platten nur für solche Anwendungsfälle zu empfehlen, wo wenig geschrieben und hauptsächlich gelesen wird.
Die SMR-Technik erhöht die Speicherkapazität von vier auf fünf TB/Scheibe. Seit 2020 gibt es Festplatten bis 8 TB. Schon seit 2016 bietet Seagate eine 2,5“ Notebookfestplatte mit SMR-Technologie an, die bei einer Kapazität von 2 TB nur 7 mm hoch ist.

Mehr über Shingled Magnetic Recording

Das Schreiben auf eine SMR-Platte ist aufwändig, weil nach dem Schreiben einer Spur eine oder mehrere Nachbarspuren repariert werden müssen. Deshalb gelangen Schreibaufträge zunächst in den elektronischen Cache der Festplatte. Ein kleiner Teil der Festplatte arbeitet mit Spuren in der Breite des Schreibkopfes und dient als zusätzlicher Cache-Puffer für die Schreibaufträge.

Im ungünstigsten Fall (wenn die Festplatte fast voll ist) könnte es nach dem Schreiben einer Spur notwendig sein, alle darauffolgenden Spuren bis zum Rand der Festplatte neu zu schreiben. Um das zu verhindern, wird jeweils nach mehrere schmalen SMR-Spuren eine breitere Spur eingefügt, an der das Überschreiben endet.


Dynamic Hybrid SMR

Western Digital möchte SMR flexibler nutzen: mit Dynamic Hybrid SMR sollen die Festplattenbereiche im laufenden Betrieb umverteilt werden können. Regionen der Festplatte sollen zwischen SMR und traditioneller PMR Aufzeichnung umschalten können. Daten mit hoher Ändererungsfrequenz nutzen Bereiche mit breiten Spuren, während Daten mit geringer Änderungshäufigkeit in SMR-Regionen gespeichert werden.

Superparamagnetismus

Magneten verlieren bei Erhitzung die vorhandene Magnetisierung. Diese Temperatur, bei der aufgezeichnete Informationen verloren gehen, ist die materialabhängige   Curie-Temperatur. Beim Magnetmaterial von Festplatten sind das etwa 450 °C.
Als Superparamagnetismus, auch superparamagnetischer Effekt, wird die magnetische Eigenschaft sehr kleiner Teilchen eines ferromagnetischen Materials bezeichnet, schon bei Temperaturen unterhalb der Curie-Temperatur die Magnetisierung zu verlieren. Je kleiner die magnetischen Körnchen, desto wahrscheinlicher ist der spontane Verlust der aufgezeichneten Information. Wobei einzelne Bitfehler von der automatischen Fehlerkorrektur der Festplattenelektronik ausgeglichen werden. Um trotzdem höhere Datendichten mit kleineren Magnetkörnchen zu erreichen, wird magnetisch „härteres“ Material verwendet, das einen höheren Widerstand gegen spontanen Informationsverlust hat, andererseits aber höhere Feldstärken beim Beschreiben benötigt.
Gegenwärtige Schreibköpfe sind nahe an einer physikalischen Grenze: Noch stärkere Magnetfelder sind kaum möglich. Ein möglicher Ausweg: Wenn man die zu beschreibenden Magnetkörner irgendwie erhitzt, reicht ein kleineres Magnetfeld zum Schreiben aus. Mit Hilfe von Wärme oder Mikrowellen senkt die EAMR-Technologie (Energy-Assisted Magnetic Recording) den Widerstand des Speichermediums gegen eine Änderung der Magnetisierung.
Für dieses punktuelle Erhitzen gibt es gegenwärtig zwei Ansätze: Das Erhitzen mit Laser (Heat Assistant Magnetic Recording) oder mit Mikrowellenstrahlung (Microwave Assisted Magnetic Recording).

Heat Assistant Magnetic Recording

Deutsch: „Wärme-unterstützte Magnetaufzeichnung“. Für die Magnetschicht wird ein „magnetisch hartes“ Material verwendet, das nur im erhitzten Zustand ummagnetisiert werden kann. Am Schreibkopf wird eine Laserdiode befestigt, welche die Magnetschicht dort erhitzt, wo sie magnetisiert werden soll. Das Erhitzen bis fast zum Curie-Punkt von 450 °C dauert nur eine Nanosekunde, die Abkühlung erfolgt ebenso schnell. Der Vorteil: Ein Laser kann viel feiner fokussiert werden als ein Magnetfeld, dadurch kann eine höhere Aufzeichnungsdichte erreicht werden. Im Jahr 2016 wurde eine Spurbreite von 70 nm erreicht.
Ein unerwünschter Nebeneffekt: Teilchen des Schmiermittels, das die Oberfläche der Scheiben bei einer Berührung schützt, können sich durch die Erhitzung lösen. Deshalb hält Seagate einen Nachschub an Schmiermittel in Nanoröhrchen bereit, der allmählich freigegeben wird. Ob und wie weit durch den Schmiermittelverlust die Wahrscheinlichkeit von Headcrashes steigt, ist noch unklar.

Die HAMR-Technik wurde 2002 erstmals im Labor vorgeführt. Festplatten mit 38 GB waren bereits für das Jahr 2010 geplant. Doch der Beginn der Serienproduktion wurde jahrelang verschoben.
Ende 2020 hat Seagate erste Muster einer HAMR-HDD mit 20 TB Speicherplatz gefertigt. Es wurde nur eine Kleinserie produziert, damit die Stammkunden von Seagate die neue Technik kennen lernen können. Die Serie sorgt „mehr für Erkenntnisse als für Umsatz“, meint Seagate.
Seagate arbeitet an einem „second-generation HAMR drive“, das voraussichtlich etwa 30 TB Speicherplatz bieten soll. Diese HAMR-Festplatte mit 30 TB soll dann auch in Serie gehen. Sie ist für Cloud-Anwendungen bestimmt.
Im Jahr 2023 will Seagate 40 TB Platten produzieren, 2026 mit 50 TB, 2030 mit 100 TB. Die Datendichte soll noch viel weiter steigen können, theoretisch auf das Hundertfache.

Microwave Assisted Magnetic Recording

Toshiba und WD entwickeln Festplatten mit MAMR (Microwave Assisted Magnetic Recording). Die Mikrowellen verstärken die Magnetfelder der winzigen Magnetköpfe. Die Aufzeichnungsdichte soll dadurch auf das Vierfache steigen. Die Serienproduktion von „Ultrastar“ Festplatten mit 18 und 20 TB hat begonnen.

Multi-Stage Micro Actuator

Der Actuator (der Schwenkarm, der die Köpfe über die gewünschte Position der Magnetscheibe bewegt) kann die Köpfe bei immer kleiner werdenden Spurabständen nicht mehr schnell und genau genug bewegen. Western Digital hat in den Aktuator-Arm kurz vor dem Kopf ein Scharnier eingefügt. Kleine Bewegungen werden nicht mit dem langen, schweren Arm ausgeführt, sondern nur mit dem leichteren Endstück. Mit dessen Bewegung kann der Kopf Spurweiten von 60 nm und weniger zielgenau und schnell ansteuern. Diese Technik kommt bereits in den 10 TB-Helium-Festplatten zum Einsatz. WD plant Spurweiten von 25 nm. Damit würde die Datendichte von 1,1 Tbit auf 4 Tbit pro Quadratzoll steigen.

Two Dimension Magnetic Recording

Das ist ein Verfahren, schwache Magnetfelder besser lesen zu können. Denn je weniger Magnetpartikel zum Speichern eines Bits genutzt werden, desto schwächer ist das Lesesignal. TDMR benutzt zwei Leseköpfe, die ein wenig seitlich versetzt sind und Teile der Nachbarspur mit einlesen. Die beiden gelesenen Signale werden addiert. Das Hauptsignal wird dadurch stärker.

Multible Sensor Magnetic Recording

Einige Smartphones arbeiten mit zwei Mikrofonen: eins nimmt die Hintergrundgeräusche auf und subtrahiert diese vom Signal des Hauptmikrofons, dadurch werden Hintergrundgeräusche weitgehend ausgeblendet. Ähnlich funktioniert das MSMR-Verfahren: Es werden zwei Leseköpfe eingesetzt, die nacheinander die gleiche Spur lesen. Der eine Kopf ist auf das Lesen der Daten optimiert, der zweite liest das „Rauschen“. Die Subtraktion beider Signalen verringert das Rauschen und verbessert das Nutzsignal.
Verwendet man vier Köpfe, lassen sich TDMR und MSMR kombinieren.

Bit-Patterned Media

Wenn das HAMR-Verfahren an seine Grenzen gekommen ist, könnte das BPM-Verfahren, an dem Hitachi forscht, einen weiteren Fortschritt bringen. In einem magnetischen Material kristallisieren die Elementarmagnete (Atome und Moleküle) zu mikroskopischen Körnchen, sogenannten „Domänen“.
Die Elementarmagnete einer Domäne können in verschiedenen Richtungen magnetisiert werden. Wenn jedoch benachbarte Elementarmagnete eine verschiedene magnetische Ausrichtung haben, versuchen sie, sich gegenseitig umzumagnetisieren. Dadurch ist jeder von einem Magnetkopf magnetisierte Bereich von einem Randbereich umgeben, in dem die benachbarten Elementarmagneten eine zufällige Ausrichtung haben. Und an diesen Rändern wirken die Elementarmagnete aufeinander ein.
Ob eine Domäne aus einigen hundert oder tausend Atomen besteht, ist materialabhängig. Für Festplatten werden Materialien bevorzugt, die möglichst kleine Domänen bilden. Bei den gegenwärtig verwendeten Materialien beansprucht ein Bit eine Gruppe von mindestens 20 Elementarmagneten, sonst kann der Lesekopf die „1“ und die „0“ nicht zuverlässig unterscheiden. Wenn die Datendichte steigen soll, steht weniger Fläche pro Bit zur Verfügung. Ab einer Kapazität von 2,5 TB (eine Scheibe mit je 1,25 TB pro Oberfläche) wird die Zahl der Elementarmagneten pro Bit zu klein, und der „superparamagnetische Effekt“ macht eine sichere Aufzeichnung unmöglich.
Welche Möglichkeiten gibt es, die Aufzeichnungsdichte zu erhöhen?
Der eine Ansatz: Es wird daran gearbeitet, Domänen als halbkugelförmige Erhebung auf der Scheibe anzuordnen, damit sie eine kleinere Fläche benötigen. Allerdings müssten die Erhebungen in einem sehr aufwendigen Verfahren auf die Magnetscheiben aufgebracht werden, was den Preis möglicherweise unattraktiv machen wird.
Ein anderer Ansatz: Nicht mehr 20 kleine Magnetkörnchen pro Bit, sondern nur ein etwas größeres Magnetkörnchen pro Bit und dazwischen ein nichtmagnetischer Bereich. Diese Magnetkörnchen werden in einem solchen Abstand voneinander angeordnet, dass sie sich nicht gegenseitig beeinflussen. Diese Körner müssen präzise in eine Reihe gebracht werden, damit der Magnetkopf sie findet.

Vakuum im Gehäuse

Die Köpfe im Luftstrom „segeln“ zu lassen hat einen gravierenden Nachteil: Bei der hohen Strömungsgeschwindigkeit kommt es zu Verwirbelungen. Dadurch schwankt die Flughöhe des Kopfes um einen Mittelwert herum. Die Größe der Schwankungen folgt einer statistischen Normalverteilung. Die meisten Schwankungen sind gering, aber hin und wieder sind die Schwankungen des Abstandes so groß, dass es zu einer Berührung zwischen Kopf und Oberfläche kommt. Deshalb werden Köpfe und Platte mit einer Schutzschicht überzogen und mit einem Gleitschutzmittel versehen.
Die Firma https://l2drive.com arbeitet an Festplatten mit Vakuum. Die Köpfe sitzen auf einem Piezo-Kristall, der mit 15 kHz arbeitet (ein Piezo-Kristall ändert seine Abmessungen, wenn sich die angelegte Spannung ändert). Der Abstand der Köpfe zur Scheibe wird 100000 Mal pro Sekunde gemessen und mit dem Piezo-Kristall konstant gehalten. Dadurch kann auf die Berührungsschutzschichten auf Kopf und Scheibe verzichtet werden und auch das Gleitschutz-Schmiermittel entfällt. Der magnetische Abstand zwischen Kopf und Magnetschicht kann von sechs bis neun Nanometer auf vier bis fünf Nanometer verringert werden. Das hat drei Auswirkungen:

  • Da die magnetische Feldstärke sich mit dem Quadrat der Entfernung ändert, verdoppelt jeder halbe Nanometer Annäherung die Signalstärke des Lesekopfes.
  • Nähert sich der Magnetkopf der Scheibe, kann er kleinere Strukturen unterscheiden. Die Spuren und die Bits in der Spur können näher zusammenrücken, was etwa eine Verdopplung der Kapazität ermöglichen würde.
  • Die entfallende Reibung der Köpfe und Scheiben würde den Energiebedarf im Vergleich zur Helium-Füllung um 30% verringern.
Video


DLC oder Overcoat: Schutzschicht
Lubricant: Gleitmittel
Air Gap: Luftspalt
Magnetic Spacing: Magnetischer Abstand
Roughness: Rauigkeit
Slider: Magnetkopf
Video von https://l2drive.com


Bild von https://l2drive.com/after-helium-vacuum-hdds-promise-even-larger-drives/


Möglichkeiten ohne Ende …

Der große Sprung nach vorn: Forscher der Max-Planck-Gesellschaft und der IBM-Forschung haben im Januar 2012 den kleinsten Magnetspeicher der Welt vorgestellt: Nur 12 Atome wurden benötigt, um ein Bit zu speichern. Falls das Verfahren die Praxisreife erreicht, würde die Kapazität der Festplatten um das Tausendfache wachsen. Leider dauert es meist Jahrzehnte von der Grundlagenforschung bis zur Serienproduktion.
Forscher der Universität Hamburg haben einen anderen Weg entdeckt. Sie haben einen Iridium-Kristall mit einem zwei Atomlagen dicken Film aus Palladium und Eisen beschichtet und darin winzige magnetische Wirbel, sogenannte Skyrmionen, erzeugt. In diesen Wirbeln konnten sie Bits speichern. Das zugrunde liegende Prinzip wurde bereits vor 80 Jahren entdeckt. In einigen Jahrzehnten könnte das zu superkleinen Datenspeichern führen.


 

 

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