Mainboard auswechseln ohne Neuinstallation
Gekürzter Auszug aus meinem Buch „Computerhardware für Fortgeschrittene“, Kapitel 18.1
Das Problem sind die Treiber
Wenn eine Hauptplatine ausgewechselt werden soll, weil sie defekt ist oder weil Sie zu einer moderneren Hauptplatine wechseln wollen, haben Sie so gut wie immer ein schweres Problem mit den Treibern des Festplattencontrollers.
Während der Neuinstallation von Windows verwendet das Betriebssystem eigene, universelle Treiber, die mit jedem Chipsatz zurechtkommen. Allerdings nutzen diese Treiber die Leistungsfähigkeit moderner Chipsätze nur zu einem geringen Teil. Deshalb ersetzt ein neuinstalliertes Windows die Festplatten-Universaltreiber durch spezielle Treiber des Chipsatz-Herstellers, die für den verwendeten Chipsatz optimiert sind. Windows bringt ein umfangreiches Treibersortiment mit, holt sich die Treiber aus dem Internet oder fordert zum Einlegen der Treiber-CD des Mainboards auf. Microsoft hat keine einfache Möglichkeit vorgesehen, diese Treiberinstallation rückgängig zu machen und zu den ursprünglichen Universaltreibern zurückzukehren.
Was geschieht mit Ihrem Windows, wenn Sie den PC hochfahren, nachdem Sie die Hauptplatine gegen eine modernere Platine mit einem weiterentwickelten Chipsatz ausgetauscht haben? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die auf der Festplatte installierten Treiber (die zum Chipsatz der alten Platine passen) mit dem neuen Chipsatz zurechtkommen. Sie bekommen eine Fehlermeldung (meist einen BlueScreen) und können nicht auf die Festplatte zugreifen. Sie müssten also die alten Festplattentreiber gegen die zur neuen Hauptplatine passenden Treiber auswechseln. Manchmal gelingt das im abgesicherten Modus. Wenn aber Windows abstürzt, noch bevor Sie auf die Festplatte zugreifen konnten? Dann haben Sie ein Problem.
Lösungsmöglichkeiten
Ich sehe fünf Möglichkeiten in dieser Situation. Allen fünf Lösungsvorschlägen sollte eins vorausgehen: Erstellen Sie eine funktionsfähige Kopie der gesamten Festplatte für den Fall, dass das Betriebssystem beim Versuch der Anpassung zerstört wird. Ein Image der Betriebssystempartition auf eine externe Festplatte zu sichern ist die minimale Vorsichtsmaßnahme. Besser ist es, die Festplatte zu klonen.
- 1. Bauen Sie die Festplatte aus und stecken sie diese über einen USB-SATA-Adapter an den Computer an. Wenn es gelingt, den PC mit der alten Hauptplatine über USB zu booten, gelingt das sicher auch mit der neuen Hauptplatine. Installieren Sie die Treiber der neuen Hauptplatine und bauen Sie die Festplatte wieder ein.
- 2. Wenn Ihr PC in der alten Konfiguration noch funktioniert, können Sie vor dem Ausbau der alten Platine versuchen, den Festplattentreiber zu entfernen und durch den Windows-Standardtreiber zu ersetzen. Das ist nicht einfach und es klappt nicht immer. Eventuell verliert Windows dabei den Zugriff auf Ihre Festplatte für immer.
- 3. Sie können die Festplatte als Zweitplatte an einen anderen PC anschließen, die Treiber entfernen und vor allem die Registry-Einträge anpassen. Das ist sehr schwierig und langwierig. Nicht jeder Fachhändler und nur wenige Computerfreaks können das. Das Programmpaket „Acronis True Image“ bietet diese Möglichkeit.
- 4. Umstellung mit Hilfs-Festplattencontroller. Wie das geht, wird am Ende dieser Liste erläutert.
- 5. Wenn all das nicht geht, bleibt Ihnen nur, die Betriebssystempartition zu löschen und Windows neu zu installieren. Anschließend installieren Sie alle Treiber und alle Ihre Anwendungen erneut. Kopieren Sie die Daten vom Backup zurück und verknüpfen Sie diese mit den Anwendungen.
Umstellung mit Hilfs-Festplattencontroller
Besorgen Sie einen Festplattencontroller als Steckkarte, der sich sowohl in die alte als auch in die neue Hauptplatine stecken lässt und der für Ihr Betriebssystem die passenden Treiber hat.
Material
Hier einige Vorschläge für einen geeigneten Hilfs-Festplattencontroller:
1. 20 € „PCI Card Delock 2x SATA“
2. 20 € „PCI Expr Card Delock 2x SATA“
3. 20 € „PCI Card Delock 1x eSATA ext +1x SATA +1x IDE“
4. 30 € „PCI Expr Card Delock 2x SATA III int + 1x IDE“ (siehe Abb. 18.1)
5. 35 € „PCI Expr Card DIGITUS Combo-Card SATA III/PATA“
1. und 2. sind geeignet, wenn Sie eine SATA-Festplatte benutzen. Weil diese Steckkarte nur zum Zwecke der Umstellung benötigt wird, braucht sie keine schnellen SATA III Schnittstelle zu haben, SATA II genügt. Nach beendeter Umstellung wird die Festplatte an die Hauptplatine angesteckt und der Hilfscontroller wird nicht mehr benötigt.
Wenn Sie noch eine alte Festplatte mit IDE-Anschluss haben, kommen nur 3., 4. oder 5. in Frage. Hat die alte Hauptplatine keinen PCIe-Steckplatz, bleibt nur die 3. Variante.
Ablauf
Bauen Sie die PCI- oder PCIe-Hilfscontrollerkarte in den alten PC ein und installieren Sie die Treiber für diese Steckkarte. Starten Sie den PC neu, um die Installation abzuschließen, und fahren Sie den PC herunter.
Ziehen Sie die Boot-Festplatte vom Anschluss des Mainboards ab und stecken Sie diese nun an den Hilfscontroller an. Testen Sie, ob der PC ganz normal hochfährt. Vielleicht müssen Sie dazu die Boot-Sequenz anpassen. Vielleicht klappt das nicht, weil das BIOS zu alt ist, um von einem zweiten Controller zu booten. Aber auch wenn das Booten nicht klappt − noch ist nichts verloren.
Wechseln Sie nun die Hauptplatine, wie in den Kapiteln 9 bis 15 beschrieben. Testen Sie deren Funktion noch ohne die Festplatte anzustecken.
Bestücken Sie die neue Hauptplatine mit dem Hilfscontroller. Stecken Sie die Festplatte und das DVD-Laufwerk zunächst an die Anschlüsse des Hilfscontrollers. Schalten Sie nun den PC ein und stellen Sie die Bootsequenz ein. Weil die Treiber der Hilfscontrollerkarte bereits installiert sind, sollte Windows starten. Allerdings gibt es dutzende Fehlermeldungen, weil Windows die Treiber für die neue Hauptplatine noch nicht kennt.
Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Treiber zu installieren.
- Legen Sie die mit der Hauptplatine gelieferte Treiber-CD ein und überlassen Sie es Windows, die Treiber zu finden. Es werden einige Treiber dabei sein, die nicht automatisch gefunden werden. Versuchen Sie, mit Hilfe des Gerätemanagers zu bestimmen, welche Komponenten fehlen. Starten Sie die entsprechenden Setup-Programme.
- Brechen Sie beim Hochfahren von Windows alle Installationsaufforderungen ab („Treiber nicht installieren“). Gehen Sie dann systematisch vor und installieren Sie die Treiber mit ihren Setup-Programmen. Beginnen Sie mit den Chipsatz-Treibern.
Ich bevorzuge die zweite Methode, weil ich dabei jederzeit genau weiß, welche Treiber schon installiert sind und welche noch fehlen.
Nachdem die Chipsatztreiber installiert sind, können Sie die Festplatte vom Hilfscontroller an den Anschluss der Hauptplatine umstecken. Die Hilfscontrollerkarte wird nicht mehr benötigt und kann ausgebaut werden.